Wir haben es einfach versucht und uns mit dem DorfMOOC-Projekt „Unser Dorf: Wir bleiben hier!“ Ein Online-Kurs macht vor Ort mobil für den Hessischen Demografiepreis 2018 beworben. Erfolgreich! Aus 91 eingereichten Bewerbungen gelangten wir unter die 6 Nominierten.
Am 9. August waren wir zu dritt in der Hessischen Staatskanzlei Wiesbaden, um uns der Jury persönlich vorzustellen. Erneut waren wir erfolgreich! Wir sind unter den 3 Gewinnern! Am 6. September werden wir bei der Preisverleihung durch Ministerpräsident Volker Bouffier erfahren, welchen der drei Plätze wir erreicht haben.
Mit dabei waren und ungefähr gesagt haben wir:
Pfarrerin Annegret Zander, Fachreferentin in der Fachstelle Zweite Lebenshälfte der Evang. Kirche von Kurhessen-Waldeck und eine der MOOC-Macher*innen
Gunter Böhmer, Fachreferent i.R. für Blended Learning im Zentrum Bildung der Evang. Kirche in Hessen und Nassau, MOOC- Macher.
Frauke Dietz, seit 14 Jahren Ortsvorsteherin von Hünstetten – Bechtheim. Bechtheim liegt im Untertaunus und hat knapp 900 Einwohner. MOOC – Teilnehmerin: Der DorfMOOC war der erste MOOC an dem ich teilgenommen habe und ich war und bin einfach begeistert.
Annegret Zander
Frauke, du hast beim DorfMOOC intensiv mitgemacht, hast viele Aufgaben bearbeitet, warst in deinem Ort unterwegs, hast in den Foren geschrieben, warst bei den Präsenzveranstaltungen und Expertenchats dabei. Was waren deine wichtigsten Erfahrungen und Erkenntnisse?
Frauke Dietz
Das ist in der Kürze ziemlich schwer zu beantworten, da ich so viele Dinge aus dem DorfMOOC mitgenommen habe.
„Der gesellschaftliche Wandel vor Ort wurde mir erstmals wirklich bewusst“
Ich denke, meine wichtigste Erfahrung war zu sehen, was schon alles in Sachen „Unser Dorf – wir bleiben hier“ auf die Füße gestellt wurde und wird und zwar auch in Ortschaften, die viel kleiner sind als Bechtheim. Von den guten und schlechten Erfahrungen anderer aus den Videos, den Berichten und den Chats habe ich sehr schnell und sehr viel gelernt. Vieles davon habe ich dauerhaft im Kopf, wann immer ich ein Projekt angehe.
Ich habe gelernt: Es reicht halt nicht mit viel Liebe und Zeit, einen Dorfplatz generationenübergreifend zu gestalten, wenn er am Ende nicht genutzt wird, weil er an einer viel befahrenen Ortsdurchgangsstraße liegt und sich rausstellt, dass Ältere nicht hingehen, weil sie die Straße schlecht überqueren können und Mütter Angst haben, dass ihre Kinder beim Spielen nicht aufpassen und auf die Straße laufen.
Meine Top Erkenntnisse: Ab und zu mein Dorf mit neuen Augen sehen, mir bewusst machen was ist, warum es so ist und was wir zum Wohle aller ändern können. Außerdem habe ich für mich ganz neu das Thema „Zweite Lebenshälfte“ entdeckt! Im MOOC habe ich festgestellt, dass deutlich mehr als 90% der über 80jährigen in Bechtheim, Angehörige vor Ort haben. Bei den über 70jährigen nur noch gut 60%. Der gesellschaftliche Wandel vor Ort wurde mir erstmals wirklich bewusst. Es wird die Zeit kommen, da die Älteren keine Angehörigen mehr haben, die sie zum Arzt oder Einkaufen mitnehmen werden. Daher steht das Thema „Nachbarschaftshilfe“ ganz oben auf meiner Agenda.
Und der MOOC hat bewirkt, dass ich auch die Älteren jetzt immer mit im Blick habe. Zum Beispiel habe ich vor kurzem beim Schreiben des Konzepts für einen Naturerlebnispfad darauf geachtet, dass alle er für möglichst alle Generationen barrierefrei wird.
Gunter, mein erster MOOC hat mich wirklich begeistert, warum habt ihr die MOOC Form gewählt?
„Wir wollten ein gesellschaftspolitisch wichtiges Thema mit einer neuen Lernform kombinieren“
Gunter Böhmer
Für uns Stand der MOOC unter dem Motto “ Lernen wann, wo, was und mit wem ich will.
Der Kurs sollte möglichst viele erreichen, individuelles Lernen je nach Interesse und Tempo ermöglichen; Ein MOOC ist nachhaltig, da er kostenfrei und langfristig im Netz steht.
Wir wollten ein gesellschaftspolitisch wichtiges Thema mit einer neuen Lernform kombinieren
Wichtige Elemente in diesem MOOC sind: informative, kurze Videos mit Quizfragen, Aufgaben die ich alleine oder mit anderen bearbeiten kann und es gibt umfangreiches Material in einer Bibliothek.
Annegret, wen haben wir mit dem DorfMOOC erreicht?
Wie Menschen mit Ideen das Dorf beleben
Annegret Zander
Schauen wir mal aufs Plakat, da sieht man noch keine Leute. Sie mussten erst mal ihren Platz finden oder eine Idee für ein gutes Leben im Alter und für ihre Nachbarschaft finden: Die setzen wir jetzt gedanklich ins Dorf (* Namen geändert):
• Die nicht so vielen unter 30-Jährigen Teilnehmerinnen (obwohl: es werden langsam mehr) sind wahrscheinlich gedanklich auf der Straße und fragen sich: Wie kann ich meinen Wunsch, auf dem Land zu leben mit meinem Beruf und Familie in Einklang bringen? Bin ich abgehängt? Wie können wir das Homeoffice neben dem Dorfladen einrichten?
• Wolfgang*, einer der vielen über 60-Jährigen und schon im Ruhestand, engagiert sich in seinem ehrenamtlich geführten Dorfladen.
• Einige von den zahlreichen über 50-Jährigen überlegen sich, wie sie ihr Haus barrierefrei umbauen – oder doch lieber die WG auf dem Hof starten?
• Andrea*, Mitte 50, hat sich bei einem diakonischen Träger nach der Teilnahme am DorfMOOC ermutig gefühlt, sich als Quartiersmanagerin zu bewerben – und hat die Stelle bekommen.
• Ich hoffe, dass sich aus all diesen Altersgruppen Menschen Gedanken darüber machen, wie sie die alte Scheune zum Bewegungs- und Fitnessraum für alle Generationen umbauen können.
• In der Generationenwerkstatt könnten sich der Schreiner und Herbert treffen: Herbert Schmidt ist unser ältester Teilnehmer, über 80. Er schult Ehrenamtliche als Seniorexperten, ehrlich gesagt, wollte er sehen, wie wir das machen. Er hat parallel selbst einen eigenen MOOC, den Efi-MOOC aufgesetzt.
• Für den Garten suchen wir noch Interessierte – vielleicht macht der Förster mit –
Treffpunkt Bank – Der Renner im DorfMOOC
• und Frauke wandert in ihrem Ort von Bank zu Bank.
• Die Idee der Bank als Treffpunkt hat im DorfMOOC nämlich besonders gezündet:
Frauke Dietz
Ja, bei mir auch. Ich habe mich gleich zu Anfang des DorfMOOCs mit Kaffee in der Thermoskanne auf eine Bank gesetzt und schon kam ich mit Leuten ins Gespräch. Darüber habe ich dann im Forum auch geschrieben.
Bänke sind sehr wichtige Treffpunkte im Dorf. Im ursprünglichen Teil von Bechtheim gibt es eine Menge davon. Bis vor etwa 10 Jahren hatten die Bänke Namen, so gab es eine Leni-Bank, eine Erna-Bank, eine Else-Bank u. v. m. Benannt nach den Menschen, die dort regelmäßig am Nachmittag zu treffen waren. Die Menschen haben sich bewusst auf den Weg zu einer der Bänke gemacht, um Neuigkeiten auszutauschen und ein Schwätzchen zu halten. Das ist heute anders. Die Bänke dienen den Menschen, die einen Spaziergang durch unseren schönen alten Ortskern machen, als Sitzgelegenheit um eine Pause einzulegen. Es dauert selten länger als 5 Minuten, bis jemand zu Fuß, per Fahrrad oder Auto vorbeikommt und sich ein kunterbuntes Gespräch entwickelt.
Die richtige Platzierung von Bänken ist bei meinen Rundgängen inzwischen oft Thema.
Gunter Böhmer
Die Bank wurde im DorfMOOC ein starkes Symbol für Veränderung, die durch kleine machbare Schritte möglich ist. Die Vorstellung unseres Online-Projekts bei der Sommerreise von Minister Dr. Axel Wintermeyer haben wir ganz analog im 300 Seelen Ort Eifa gemacht.
Dort hat eine MOOC-Teilnehmerin sich die „Baumelbank“ ausgedacht. Eine Bank wird monatlich wandernd auf den Hof eines alten Menschen gesetzt. Dort treffen sich inzwischen alle Generationen zum Schwätzen. Es war zu spüren wie diese Bank den Zusammenhalt im Ort stärkt.
Der DorfMOOC zeigt: Es ist wichtig Treffpunkte zu schaffen, an denen die Menschen miteinander ins Reden kommen. Daraus kann dann mehr entstehen.
So geht es weiter im DorfMOOC: Regionale Gruppen starten!
Annegret Zander
Der DorfMOOC ist ja unbegrenzt im Netz zugänglich. Wir wollen aber die Nutzung dieser Materialien nicht dem Zufall überlassen und setzen daher immer wieder neue Impulse zum Mitmachen über unsere Bildungsarbeit und im Netz. Derzeit stellen wir Material für Multiplikatoren zusammen (z.B. auch dieses Plakat als Poster), die in den Regionen Menschen in den DorfMOOC einführen und kleine Gruppen starten sollen.
Das ist vorbereitend für den 2.-24. November, wenn wir erneut die Foren zur direkten Beteiligung öffnen.
Die Anstöße im DorfMOOC geben uns selbst noch viele Jahre genug Material, mit dem wir mit den Menschen vor Ort in Veranstaltungen und Beratungen arbeiten können.
Also: Unser Dorf heißt: „Aufbruch“ – Für ein gutes Leben für alle Generationen!